Die Krisenstäbe werden virtueller, in der Handelszeitung 17. September 2020

Klaus Bockslaff Der Experte über die schleppende Digitalisierung des Krisenmanagements.

Artikel von Volker Richert

Den digitalen «Frontrunner» würde man ihm auf den ersten Blick nicht geben. Dafür ist er wohl zu früh geboren. Wenn dann im Gespräch aber «Krisenmanagement» ins Spiel kommt, weiss man schnell, warum der  in Küsnacht wohnende Klaus Bockslaff zu den Hidden Champions des Krisenmanagements gehört. Eine Branche, die ja selten im Rampenlicht steht, deren Vertreter jedoch als diskrete Dienstleister und Problemlöser im Hintergrund wirken.

Klaus Bockslaff geht in bekannten Unternehmen ein und aus. Ob Autobranche, Energieanbieter, Finanzunternehmen oder Behörden: Er erzählt – ohne Namen zu nennen – aus seiner Praxis und zeigt auf, wie man Krisen managen kann. «Das habe ich schon bei meinem Militärdienst auf einem deutschen Aufklärungsschiff lernen müssen, als wir mit sowjetischen Kriegsschiffen unmittelbaren Kontakt hatten. Zum Glück nur mit Blechschaden, ohne weitere Opfer.»

Seitdem sind Krisen sein Leben. Nach dem Studium in Rechtswissenschaft und Wirtschaftsrecht, als Kader von Assekuranzunternehmen, als Senior Manager bei Arthur Andersen (heute Accenture) und
bei EY hat er als Leiter und Berater vieler Krisenstäbe in der Finanzwirtschaft und der Industrie Firmen in Krisen geholfen.

Vor zwanzig Jahren hat er dann in Küsnacht die Firma Verismo gegründet, die seit zwei Jahren Teil der Informatikgruppe IG Götsch in Zürich ist und die er zusammen mit Mathias Götsch leitet. Die Unternehmensgruppe bietet neben IT-Beratung, Software-Entwicklung, IT-Sicherheit sowie Krisenmanagement Seminare an und arbeitet mit Demios, einem hochmodernen Krisenmanagement-Tool.

Effizienz und Geschwindigkeit

Das Beziehungsnetz von Bockslaff ist eindrücklich und wird auch in Corona-Zeiten über Webinare gepflegt. Da treffen sich Krisenmanager aus Deutschland, der Schweiz und Österreich. In der Schweiz gehört Bockslaff zu den Gründern des Verbandes für Krisenkommunikation VKK und fördert die Standardisierung des Krisenmanagements im Verein Risk Management Association.
Doch was hat sich im Krisenmanagement im Laufe der Zeit geändert? Krisenmanagement habe viel mit «Fokussierung und Klarheit der Ziele zu tun», so Bockslaff. «Im Krisenfall gilt es, im Chaos einen klaren Kopf zu bewahren, einen Krisenstab einzurichten, die Lage festzustellen, zu beurteilen und zu gewichten – und dann auf einer soliden Basis zu handeln.»
Wie sieht es mit Effizienz und Geschwindigkeit aus? «Das sind die Herausforderungen in einer Krise», erläutert er. Und es sei auch seine Initiative gewesen, diesen Bereich durch Digitalisierung weiterzuentwickeln. Dass er damit nicht falsch liegt, zeigt eine Studie von Deloitte mit dem Titel «Corona-Krise deckt auf: Schweizer Behörden stecken bei der Digitalisierung noch in den Kinderschuhen».
Sperren sich Schweizer Krisenmanager gegen den digitalen Fortschritt? So dramatisch beurteile er die Situation nicht und analysiert: «Die bisherige zeitintensive analoge Arbeitsweise vieler Krisenstäbe ist stark verankert und es ist schwierig, die zuständigen Personen davon zu überzeugen, dass künftig diese Arbeit von digitalen Instrumenten unterstützt und im besten Fall ganz übernommen werden kann.»

Der Faktor Mensch

Und der Einfluss von Corona? «Wir haben in den vergangenen Wochen gemerkt, dass unser digitaler Weg bei den Profis gut ankommt und unsere Software getestet wird.» Was kann die Software? «Demios 3.0 steuert den gesamten Krisenbewältigungsprozess, beginnend mit der Ereigniserfassung und der Bewertung des Ereignisses mit Blick auf das Gefährdungs- und Schadenspotenzial, über das Informations- und Alarmierungsmanagement bis hin zur eigentlichen Krisenreaktionsarbeit», erklärt Bockslaff. Es sei nun möglich, Krisenarbeit auch ausserhalb des Lagezentrums, also virtuell, zu organisieren. Damit spiele der Aufenthaltsort der Mitglieder eines Krisenteams keine so wichtige Rolle mehr.

«Der Faktor Mensch bleibt der entscheidende Erfolgsfaktor.»

Klaus Bockslaff
Krisenmanager

Der methodische Ansatz eines Führungsrhythmus in Stäben des Zivilschutzes oder Militärs biete mit seiner strukturierten Abfolge Orientierung. «Wenn dieser Prozess als Strukturelement im Krisenmanagement in eine Programmierung eingebettet und für die Nutzung in Unternehmen angepasst wird, entsteht eine Unterstützung, die dem Krisenstab und im Lagezentrum entscheidende Entlastung verschafft», ist er überzeugt.
Etwas Wichtiges, erklärt Bockslaff, dürfe nie vergessen werden. «Bei der Krisenbewältigung bleibt auch beim Einsatz eines unterstützenden Tools und bei besten organisatorischen Grundlagen der Faktor Mensch mit seinen individuellen Qualitäten der entscheidende Erfolgsfaktor.» In einer solchen Situation sei es wichtig, dass die handelnden Personen sich über ihre eigenen Verhaltensmuster unter Stress bewusst seien und teamfähig bleiben. Und, erklärt Bockslaff, natürlich würden besondere Anforderungen an die Führungsperson eines Krisenstabes gestellt. «Dann zeigt es sich, ob der Mann auf der Brücke ein Schönwetterkapitän ist oder ob man mit einem Profi durch die stürmische See fahren kann.»
Der Berater in Klaus Bockslaff meldet sich und zeigt nochmals auf, warum Unternehmen gut beraten sind, sich organisatorisch und technisch auf die Bewältigung solcher Krisen vorzubereiten und die richtigen Lehren aus der bisherigen Krisenarbeit zu ziehen. Am Ende solle der wichtigste Schritt nicht vergessen werden: «Nach der Krise ist vor der Krise.» Deshalb heisst es auch in Zukunft: «Üben, üben, üben!»

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